BPM-Kongress 2018: „New Work“ ist längst noch nicht überall

Mit 1 500 Teilnehmern, die Ende Juni 2018 den Personalmanagementkongress besuchten, ist dieser inzwischen ein echter Anziehungspunkt für HR-Manager. Spannend waren auf diesem die Einblicke, die Unternehmen in ihren individuellen Transformationsprozess gewährten, und Antworten auf die Frage, worauf es bei der Weiterqualifizierung von Führungskräften ankommt.

In Zeiten von Buzz-Wörtern und der Fokussierung auf Trendsetter, wie sich selbstorganisierende Unternehmen oder eine Company wie SAP, wo jeder Mitarbeiter seine Arbeitszeit frei wählen kann, wir schnell übersehen: New Work ist längst noch nicht überall.

„Brauchen wir das alles?“

Hat sich Steffen Fischer, Managing Director HR bei der ifm electronic GmbH, gefragt. Sein Unternehmen mit weltweit rund 7 000 Mitarbeitern verstehe sich als „traditionell“, in dem noch von Aufbau- und Ablauforganisation statt von Selbstorganisation zu sprechen, seine Berechtigung hat. So habe die mit 65 Ingenieuren erprobte Agilität in der Entwicklung gezeigt, dass sich viele nach „Struktur und bestimmten Abläufen“ sehnen.

Wenn HR umgeben sei von Entscheidern mit technischem oder betriebswirtschaftlichem Hintergrund, müsse die Funktion erst einmal verdeutlichen, dass der digitale Wandel, in dem sich ifm electronic mit der Herstellung von Sensorik mittendrin befindet, „nicht nur technische, sondern auch soziale Facetten“ beinhaltet, sagte Fischer.

Menschen machen den Unterschied, nicht Technologien

Das betonte auch Andreas Grieger, Executive Vice President Global HR der Weidmüller Gruppe. „Es geht nicht um Technologien“, sagte Grieger. Sein Unternehmen sei Anbieter (Verbindungslösungen) und Anwender von Industrie 4.0 zugleich. Um im Wettbewerb zu bestehen, gehe es um die Kultur und das Mindset, den Unterschied machten die Mitarbeiter. „In einem Unternehmen voller Ingenieure ist es schwer, nicht über Technologie zu reden“, sagte Grieger, der vor allem auf eins setzt, um den Wandel hinzubekommen: Lernen. Persönlichkeit und Fähigkeiten, ja sogar Intelligenz, sind veränderbar, ist Grieger überzeugt.

„Wir wollen stärker auf das erfahrungsbasierte Lernen setzen“, sagte er und betonte, in seinem Unternehmen gebe es nicht das eine große Digitalisierungsprojekt, sondern „viele kleine Piloten“. Lernen aus Erfahrung heißt, Feedback erhalten, sein Tun reflektieren, andere zur Seite haben (Mentoring) und teilen (Wikis, Sharepoint etc.). Wichtig sei aber auch, auf Zufall basierendes Lernen zu ermöglichen, was mit „zulassen“ und „zugestehen“ zu tun habe und eine Frage der Unternehmenskultur sei.

Ausbilder fungieren in der Weiterqualifizierung als Medienpädagogen 

Zurückgedrängt werden soll bei Weidmüller das rein wissensbasierte Lernen. Eine „gute Plattform“ mit virtuellen Lernmedien brauche es dafür gleichwohl, so Grieger. Aber auch hier wandle sich etwas grundlegend, wenn die Mitarbeiter unabhängig von ihrer Führungskraft „vollen Zugriff“ auf die Angebote haben.

Grieger ließ aber nicht unerwähnt, dass die Mitarbeiter nun aus der Konsumentenhaltung herauskommen müssten. „Ihr kriegt jetzt auch die Verantwortung“. „Hexenwerk“ seien die neuen Lernmedien im Übrigen nicht. Die „stellen wir teilweise selber her“, sagte Grieger und überraschte mit der Information, wer dafür zuständig ist: Die Ausbilder, die zu „Medienpädagogen“ weiterentwickelt und in die Weiterqualifizierung einbezogen werden.

Die soll in einem hohen Tempo und nah am Lernbedarf stattfinden, wie Grieger erläuterte. Den Bedarf meldet die Produktion an, etwa aufgrund eines neuen Features einer Maschine. Dann entwickelt ein Ausbilder ein Schulungskonzept, das Eingang in ein Lern-Video findet. Dieses kommt anschließend in der Produktion zum Einsatz, entweder an der Maschine oder im Lernraum. Spannend ist bei Weidmüller auch, wie das Lösen von Problemen oder die Entwicklung neuer Produkte mittels Training Factory, Internet of Things (Livedaten) und Datenbrillen unmittelbar mit Trainingszwecken verlinkt ist. Es entstehe eine „andere Nähe“, sagte Geiger.

Ein erster New Work-Schritt: Abschied von der Kernarbeitszeit

Soweit ist man bei ifm electronic noch nicht. Hier hat es das Thema Lernen immerhin Eingang in fünf zentrale New Work-„Überschriften“ gefunden, die „wir für uns ausgemacht haben“, berichtete Fischer, der ob des gewährten Einblicks auf großes Interesse bei seinen Zuhörern stieß. In zwei großen Bereichen die Kernarbeitszeit aufgelöst zu haben, mag für viele Unternehmen ein kleiner Schritt sein, für ifm war es ein „großer“ (Fischer).

Beim Thema Home Office will der HR-Chef erst einmal das „Mindset“ der Mitarbeiter erkunden. Dass ifm bei New Work noch in den „Kinderschuhen“ stecke, wie es eine Hochschulabsolventin in ihrer Abschlussarbeit formuliert hat, damit kann er leben. „Sie hat Recht“, sagte Fischer. Das habe aber auch seine Gründe: Nicht alles, was in der HR-Welt zu New Work diskutiert werde, passe überall. Das Thema brauche „Struktur und Abklärung.“

Worauf es bei der Weiterqualifizierung von Führungskräften ankommt

Das gilt ebenso für die Weiterbildung von Führungskräften, um sie fit für die Arbeitswelt 4.0 zu machen. Unterstützen will dabei die School of Management der Technischen Universität München (TUM). Für die berichtete Dr. Ellen Schmid, Leiterin des Bereichs Leadership Research & Development, worauf es in der Weiterbildung von Führungskräften ankommt:

  • Selbstlernkompetenz und Reflexionsfähigkeit fördern
  • Erkenntnisse der Organisations- und Führungsforschung vermitteln
  • Neue Erfahrungsräume schaffen, um neue Verhaltensweisen ausprobieren zu können
  • Flexible und individualisierte Maßnahmen anbieten
  • Technologien erlebbar machen

„Führungskräfte müssen wieder lernen zu führen“, sagte Michael Schlüpmann, Head of Talent Resourcing & Leadership bei Hensoldt, das aus dem Airbus-Konzern kommend nun an die Börse strebt. Bei Hensoldt mit seinen 3 500 Mitarbeitern zu führen, impliziere ein anderes Führungsverständnis. „Wir brauchen andere Typen“, um zum „agilen Mittelständler“ zu werden, sagte Schlüpmann. Zusammen mit der TUM School of Management will er seinen Führungskräften vermitteln, Energie in ihre Teams zu tragen, Verantwortung für Wandel zu übernehmen und zu berücksichtigen, dass die Mitarbeiter „stolz darauf sind, was sie tun“.

Wandel mit denjenigen beginnen, die Lust darauf haben

Schlüpmann gestand ein, dass Selbstlernkompetenz „schwierig zu messen“ sei, während hingegen die Reflexionsfähigkeit der Führungskräfte dadurch unterstützt werde, dass sie Feedbacks von ihren Mitarbeitern bekämen und mit der Hilfe von Coaches an sich arbeiten könnten. Von Vorteil sei, beim Sammeln von neuen Erfahrungen in ungewohnten Kontexten Führungskräfte mit einem ingenieurwissenschaftlichen Hintergrund zu haben. „Die lieben so etwas“, sagte Schlüpmann.

Interessant war, was er und Ellen Schmid zu der Frage sagten, mit welchen Führungskräften man den Wandel hinbekommt. Hensoldt konzentriere sich auf die „Multiplikatoren, auf die, die wollen“ und nicht auf die, die noch nicht überzeugt seien, sagte Schlüpmann. Das empfiehlt auch Schmid. Die Forschung zeige, dass diejenigen, die Lust auf Veränderung haben, einen „Sog“ in der gesamten Organisation erzeugen könnten.