Das umstrittene Entgelttransparenzgesetz (EntgTransG)

Mit Beginn des Jahres 2018 müssen Unternehmen, die mehr als 200 Beschäftigte haben, mit einem „individuellen Auskunftsanspruch“ ihrer Mitarbeiter nach dem „Gesetz zur Förderung der Transparenz von Entgeltstrukturen“ (EntgTranspG) rechnen.

Grund genug, sich in verschiedenen Publikationen (BANKMAGAZIN, Personalmagazin) mit dem Gesetz und betrieblichen Prüfverfahren zu befassen. Solche einzusetzen, dazu sind Betriebe mit mehr als 500 Mitarbeitern nunmehr „aufgefordert“ .

In dem Beitrag im BANKMAGAZIN (11/2017) betone ich, dass der Gesetzgeber die „Hürden“ für die Beschäftigten sehr hoch gelegt hat, um deren Auskunftsanspruch nach § 10 EntgTranspG umsetzen zu können. Gleichwohl sieht etwa der Arbeitgeberverband AGV Banken einen deutlichen Mehraufwand auf die Personalabteilungen zukommen.

„Die Unternehmen müssen sich einen erheblich tieferen Einblick in ihre Vergütungssysteme und die Wertigkeit der unterschiedlichen Tätigkeiten verschaffen, um Benachteiligungen ausschließen zu können und auskunftsbereit zu sein“, sagt AGV-Referentin Dr. Eva Semler. Sie empfiehlt, alle im Zusammenhang mit Entgeltentscheidungen liegenden Erwägungen zu dokumentieren, um sachliche Gründe für Ungleichbehandlungen belegen zu können.

Ist die Angemessenheitsvermutung tarifvertraglicher Regelungen berechtigt?

Der Sektor Banken und Sparkassen ist vor dem Hintergrund des neuen Gesetzes ein interessanter, weil hier ein hoher Grad an Tarifbindung besteht.  Der Gesetzgeber vermutet nämlich die „Angemessenheit“ tarifvertraglicher Regelungen (§ 4). Bei tarifgebundenen und tarifanwendenden Unternehmen dürfen sich Beschäftigte nur mit Kollegen der gleichen Entgeltgruppe vergleichen. Das ist eine erhebliche Einschränkung.

Der Gesetzgeber geht also erstens davon aus, dass sich die in Tarifverträgen definierten Entgeltgruppen hinsichtlich ihrer Anforderungen beziehungsweise Wertigkeiten per se unterscheiden. Zweitens geht er davon aus, dass auf der betrieblichen Ebene kein Handlungsspielraum bei der Eingruppierung von Tätigkeiten besteht.

Fakt ist jedoch, dass etwa im Tarifbereich des AGV Banken nahezu 52 Prozent der Beschäftigten oberhalb der höchsten tariflichen Entgeltgruppe bezahlt werden. „Die betrieblichen Gehaltssysteme für diese über- und außertariflichen Bereiche haben wenig mit dem Tarifvertrag zu tun. Die Systeme sind hoch diskretionär und anfällig für Intransparenz und Ungleichbehandlung“, sagte mir im Interview Leonhard Regneri, der bei Verdi Vorsitzender der Bundesfachgruppe Bankengewerbe war und 2016 den Gehaltsabschluss für das private und öffentliche Bankgewerbe mit dem AGV Banken mit verhandelt hat.

Regneri gibt zudem zu bedenken, dass es faktisch und je nachdem, mit welchen Nachdruck Betriebs- und Personalräte sich des Themas annähmen, auf betrieblicher Ebene leistungs- oder durch Knappheiten begründete Höhergruppierungen sowie übertarifliche Gehaltsbestandteile gäbe, die auch bei gleichwertigen Tätigkeiten zu unterschiedlichen Entgelten führten. Hinzu kommen variable Gehaltsbestandteile, bei denen zwischen den Tarifparteien vereinbarte Regelungen in den Betrieben zum Teil gar nicht angewandt werden.

Hinzu kommt: Dass ein Tarifvertrag besteht, bedeutet nicht schon per se, dass Frauen und Männer gleichbehandelt werden. Dass in einem Tarifvertrag Frauen keine Abschläge mehr hinnehmen müssen, versteht sich von selbst und widerspreche dem Verbot der „unmittelbaren“ Diskriminierung. Mit Diskriminierung beziehungsweise Diskriminierungspotenzial im Sinne des EntgTranspG ist insbesondere aber eine „mittelbare“ angesprochen, die sich aus „dem Anschein nach neutralen Vorschriften, Kriterien oder Verfahren“ ergibt (§ 3 EntgTranspG).

Intransparente Zordnung von Tätigkeiten im Tarifvertrag? 

„Mittelbares Diskriminierungspotenzial läge beispielweise vor, wenn Leistungsvergütung in frauendominierten Bereichen nicht gezahlt wird oder Elternzeit bei der Berechnung der Betriebszugehörigkeit nicht berücksichtigt wird und dadurch Sozialleistungen oder andere Zahlungen geringer ausfallen würden“, erklärt Dr. Andrea Jochmann-Döll, die sich als Forscherin und Beraterin mit Entgeltgleichheit befasst.

Weiter sagt sie: „In Tarifverträgen des Bankgewerbes werden Fachkenntnisse, Entscheidungsfindung und Verantwortung als Anforderungskriterien definiert. Damit wird das Wesen von Arbeit aber nicht in Gänze erfasst“, kritisiert Jochmann-Döll. Zudem würden die Kriterien nicht nach Stufen definiert und nicht gewichtet. „Die Zuordnung von Tätigkeiten zu den Entgeltgruppen wirkt intransparent“, moniert sie. Was etwa „erhöhte“ von „besonderen“ Anforderungen unterscheide, werde nicht klar. Zudem wirken die Tätigkeitsbezeichnungen teilweise überaltet. Hier stellt sich die Frage, wie in den Betrieben modernere Tätigkeitsprofile welchen Entgeltgruppen zugeordnet werden (Stichworte: Digitalisierung, FinTechs etc.).

Ein komplexes Regelungsfeld: Betriebliche Prüfverfahren   

In meinem Beitrag im Personalmagazin (10/2017) geht es vor allem um die Frage, was das EntgTranspG unter einem betrieblichen Prüfverfahren versteht und welche dafür geeignet sind.

Bis zuletzt hatte der Bundesrat bemängelt, dass in dem Gesetz die ursprünglich „vorgesehene verpflichtende Durchführung betrieblicher Verfahren zur Überprüfung und Herstellung von Entgeltgleichheit“ durch eine „bloße Aufforderung“ an Betriebe mit mehr als 500 Beschäftigten ersetzt worden ist.

Damit hänge nun die Bekämpfung der Entgeltlücke allein vom Auskunftsverlangen der Frauen sowie deren Bereitschaft ab, gegebenenfalls weitere Schritte gegen den eigenen Arbeitgeber einzuleiten, so die Kritik. Gefallen ist auch die noch zu Beginn des Gesetzgebungsprozesses vorgesehene Regelung, dass für die betriebliche Prüfung ausschließlich „zertifizierte“ Verfahren verwendet werden dürfen und die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) über eine solche Zertifizierung entscheidet.

Jetzt dürfte sich angesichts der Paragraphen 17 und 18 EntgTranspG so mancher Entgeltexperte fragen, was ein geeignetes Prüfverfahren im Sinne des Gesetzes sein könnte. Schließlich ist der Arbeitgeber diesbezüglich „frei in der Wahl von Analysemethoden“ (§ 18). Zum Knobeln regt auch die Formulierung an, dass Gegenstand der Analyse mittels eines Prüfverfahrens nicht nur die betrieblichen Entgeltregelungen und Entgeltbestandteile sind, sondern auch die diesen zugrunde liegenden Arbeitsbewertungsverfahren.

Was sind geschlechtsneutrale Arbeitsbewertungsverfahren?

Ein Sprecher des Bundesfamilienministeriums teilte mir auf Nachfrage mit: „Arbeitsbewertungsverfahren und betriebliche Prüfverfahren sind zwei Seiten einer Medaille.“ Im Gegensatz zu einem Arbeitsbewertungsverfahren überprüfe ein Prüfverfahren, „ob das angewandte Arbeitsbewertungsverfahren Benachteiligungspotenziale enthält und ob diese Potenziale auch ausgenutzt werden.“ Was „geschlechtsneutrale“ Arbeitsbewertungsverfahren sind beziehungsweise wie diese im Hinblick auf ihre Neutralität überprüft werden können, dazu hat das Bundesfamilienministerium bereits 2014 in einer Broschüre einen Fragenkatalog zusammengestellt, der sich auch auf Regelungen in Tarifverträgen erstreckt.

Das Prüfverfahren „eg-check“

War noch am Anfang des Entstehungsprozesses des EntgTranspG die Rede davon, dass in diesem und speziell im Hinblick auf betriebliche Prüfverfahren der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) eine prominente Rolle zukommen sollte, so ist deren Positionierung nun in Teil B des Gesetzentwurfs („Besonderer Teil“) verschoben worden.

Danach sind das von der ADS geförderte Instrument „eg-check“, aber auch der ILO-Leitfaden „Gendergerechtigkeit stärken – Entgeltgleichheit sicherstellen“, aus Sicht des Bundesfamilienministeriums Beispiele für betriebliche Prüfverfahren, die dafür „nachweislich geeignet“ sind. Was beinhaltet das Verfahren „eg-check“, das in Deutschland aufgrund seiner ADS-Förderung wesentlich verbreiteter sein dürfte als der ILO-Leitfaden?

Das Verfahren ermöglicht die Überprüfung folgender fünf Entgeltbestandteile anhand von Statistiken, Paarvergleichen und  Regelungschecks.:

  • Anforderungsbezogenes Grundentgelt
  • Stufensteigerung beim Grundentgelt
  • Leistungsvergütung
  • Überstundenvergütung
  • Erschwerniszuschläge

Das Instrument basiert nach Angaben seiner Entwicklerinnen (Dr. Tondorf / Dr. Jochmann-Döll) auf „Forschungsbefunden zur geschlechtsunabhängigen Arbeitsbewertung“ und auf geltendem Recht. Das Instrument, das gilt immer wieder zu betonen, betrachtet den Gender Pay Gap aus einer rechtlichen Perspektive und unterscheidet sich damit fundamental von ökonomisch-statistischen Verfahren (wie bspw. Destatis, IW Köln, LogibD).

„eg-check“ unterscheidet folgende tätigkeitsbezogenen Anforderungsbereiche, die jeweils nach unterschiedlichen (Anforderungs-) Kriterien unterteilt sind:

  • Wissen und Können
  • psycho-soziale Anforderungen
  • Verantwortung
  • physische Anforderungen